Friedensgebet 2014

Schöpfung bewahren – Perspektiven verschiedener religiöser Traditionen

Rund 100 Besucher und Besucherinnen, darunter erfreulich viele Jugendliche, waren der Einladung zum Friedensgebet 2014 ins Bürgerforum im Lüdenscheider Rathaus gefolgt. Es war eine bunte Mischung von Menschen verschiedener christlicher und muslimischer Konfessionen sowie Menschen jüdischen Glaubens, die sich zusammengefunden hatte, um sich einzusetzen gegen Krieg, Gewalt und Umweltzerstörung.

Nach der Begrüßung durch Pfarrer Achim Riggert sprach Bürgermeister Dieter Dzewas ein Grußwort, in dem er betonte, wie sehr er die Arbeit des Interreligiösen Forums wertschätzt.

Yasmin Alijah hatte eigens für diesen Abend eine eindrucksvolle Musik zur biblischen Schöpfungsgeschichte komponiert, die hier ihre Uraufführung erlebte und mit viel Beifall bedacht wurde.

Im Anschluss an die Musik zitierten die Rednerinnen und Redner aus ihren Heiligen Büchern, was diese zum friedlichen Umgang mit Mitmenschen und Schöfpung zu sagen haben.

Dabei war es durchaus erstaunlich, wie viel Übereinstimmendes Thora, Neues Testament und Koran zu diesen Themen zu sagen haben. Und es wurde immer wieder deutlich, dass Gewalt, Krieg und Zerstörung der Schöpfung mit keiner der drei abrahamischen Religionen vereinbar sind.

Eindringliche Gebete der Vertreter der verschiedenen Religionen folgten auf die Redebeiträge. Danach führten junge Frauen der DITIB-Moschee einen eigens einstudierten Tanz auf, ehe der Abend mit einem Imbiss und lebhaften Gesprächen an Stehtischen zu Ende ging.

 

Beiträge zum Thema „Schöpfung bewahren“

Gondrand Grünstein, Jüdische Gemeinde Bochum

Und Gott sprach: Lasst uns machen einen Menschen. Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn.
Und Gott sah alles, was er gemacht, und siehe, es war sehr gut. Und es ward Abend und es ward Morgen: der 6. Tag.
Die Schöpfung war nun vollendet. Das Werk hatte sechs Tage in Anspruch genommen. Jeden Tag wurde ein neuer Bestandteil hinzugefügt, die Bestandteile ergänzten einander und alle zusammen bildeten die Welt, in der wir leben.

Es ist interessant darauf hinzuweisen, dass am Ende eines Tages, wenn jedes neue Schöpfungselement vollendet war, Gott sah, dass es gut war. Warum wird nach der Erschaffung des Menschen nicht erwähnt, dass es gut oder sehr gut war? Verdient der Mensch keine Note? Wenn schon nicht sehr gut oder gut, dann wenigstens fast gut?
Es gibt eine gute Antwort darauf. Der Mensch ist nicht wie alle anderen Elemente der Schöpfung, die vollständig und vollkommen geschaffen wurden.
Mit dem Menschen, dem Höhepunkt der Schöpfung, ist es anders. Mit der Erschaffung des Menschen nahm seine Aufgabe in der Welt erst ihren Anfang.
Der Mensch besteht aus Körper und Seele. Er kann gut und böse sein. Er kann alles, was Gott erschaffen hat, die Natur und die Menschheit zerstören oder verbessern.
Und er kann Gesellschaft, Natur und die gesamte Menschheit in erhabene Höhe bringen.
Bei seiner Erschaffung wurde der Mensch mit Kraft, Stärke und einem freien Willen ausgestattet. In diesem Stadium war es noch zu früh, ihm eine Note zu geben. Nur die Taten und das Verhalten eines Menschen während seines Lebens bestimmen, ob er es wert ist, die Note sehr gut zu erhalten.

Stellen wir uns einer berechtigten Frage: Welche Note würde Gott heute den Menschen geben, angesichts dessen, dass

– Die Zerstörung der Natur aller Orten stattfindet
– Ganze Tiergattungen dem Profit zum Opfer fallen
– Kriege töten und nicht danach fragen, dass der Mensch auch unter die Schar von Gottesgeschöpfen fällt. Schlimmer noch: Viele Kriegstreiber verhöhnen Gott,
indem sie in seinem Namen morden.

Die jüdische Antwort auf die Erhaltung und Bewahrung der Schöpfung lautet:

Die Forderung der Umweltethik berühren die fundamentalsten Werte menschlichen Daseins.
Eine verantwortliche Beziehung zur Natur … unsere Verpflichtung.
Die Thoravorschriften gegenüber der Tierwelt besagen: dass wir nie aufhören sollen, Tieren gegenüber milde und barmherzig zu sein.
Wenn auch nicht die heutigen, so können wir doch zukünftige Kriege verhindern… durch unsere Lebensweise. Denn unsere Lebensweise ist Wegweiser zukünftiger Generationen.

Machen wir das Gesetz der Liebe, das Gesetz zur Liebe zu unserem Lebensinhalt.
Heißt es doch im 3. Buch Mose: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.

 

Döndü Dogan, DITIB-Gemeinde

Herzlich willkommen meine Damen und Herren, mein Name ist Döndü Dogan, ich vertrete die Ditib Moschee Lüdenscheid.
Ich bin seit 1992 in Deutschland, deshalb kann es sein, dass meine Deutschkenntnis nicht so ausreicht.

Das Thema des heutigen Treffens ist die Schöpfungsgeschichte der Welt und der Natur.
Das erste Vers, der dem Propheten Muhammed SAV von dem Koran übermittelt wurde, lautet: lies!
In anderen Versen steht „Ich habe die Menschen erschaffen, damit sie für mich beten und mich erkennen. Ich habe die Natur und Tiere erschaffen wie ein Buch. Die Menschen sollen davon Lesen und Lernen. Beide dienen dem Wohl der Menschen.

Im Vers Kehf steht geschrieben: Seht Ihr den Himmel nicht über Euch, wie ich Ihn gebaut und ausgeschmückt habe, ohne dass ein Riss an ihm ist. So habe ich auch die Erde ausgebreitet und setzte feste Berge, in die selben ließ alle Arten von schönen Pflanzen aus ihr hervorsprießen, damit dies ein Gegenstand des Nachdenken und der Ermahnung für jeden sei, der sich mir zuwendet.

In einen anderen Vers ist geschrieben, ich habe den Menschen erschaffen und weiß, was seine Seele ihm zuflüstert.
Was flüstert unsere Seele: Wäre es nicht schön, in Gesundheit und Glück zu leben, in finanzieller Freiheit und in einer glücklichen Partnerschaft, in der sie sich jegliche Wünsche erfüllen und ein Leben nach den eigenen Vorstellungen gestaltet werden kann.

Ist das richtig? Die Natur des Egoismus ist es, die Umgebung des Menschen zu zerstören. Egoismus ist im Islam eine Sünde. Unser Prophet sagte: ein Muslim ist einer, der mit seinen Worten mit seinen Taten und seinen Wesen keinen Schaden zufügt.
Nach dem Islam hat alles erschaffene und jedes Lebewesen ein Recht auf ein unversehrtes Leben.

Ich wünsche, das den nachfolgenden Generationen eine gut erhaltene Welt mit ihren Werten überlassen wird.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

 

Pfarrer Martin Ahlhaus

Heute ist der 23. September, ein frischer sonniger Spätsommertag und der kalendarische Beginn des Herbstes. In eineinhalb Wochen feiern die christlichen Gemeinden das Erntedankfest und schmücken ihre Kirchen mit Kartoffeln und Kohl, Getreide und Gemüse. Landfrauen und Bauern bringen einen Teil der Ernte ins Gotteshaus und sagen damit Dankeschön für den Ertrag der Gärten und Felder. Was da gewachsen ist auf den Äckern und Beeten und über die Monate gereift als Frucht und Früchte, das ist weder selbstverständlich noch aus dem Nichts entstanden, sondern verdankt sich der großen Güte Gottes. Die Natur ringsum, oder besser gesagt: die Schöpfung aus Himmel und Erde ist ein großes Wunderwerk, ein Kreislauf aus Werden und Wachsen, Reifen und Vergehen, ein gesegnetes Zusammenspiel von Sonne, Wind und Regen. Dass diese wunderbare Harmonie auch in diesem Jahr uns eine reiche Ernte beschert und Keller und Teller füllt, verdient in der Tat besondere Aufmerksamkeit und einen großen Dank an den an den einen und einzigen Gott, Schöpfer und Erhalter dieser Erde. Gerade in der heutigen Zeit, da wir Lebensmittel kaum noch selber anbauen, sondern zumeist abgepackt und eingeschweißt aus dem Supermarktregal nehmen, lenkt der Erntedanktag unseren Blick auf den unschätzbaren Wert unserer Nahrung und auf die Arbeit, die mit Säen und Ernten verbunden ist.

Doch damit nicht genug: das Lob auf die Schönheit unserer Schöpfung und der Dank für das Wohlergehen weiten unseren Blick auch für die, denen es längst nicht so gut geht wie uns. Es ist ein unerhörtes Ärgernis und himmelschreiendes Unrecht, dass immer noch eine Milliarde Menschen auf dieser Erde hungern und nicht das Nötigste zum Sattwerden und Durstlöschen haben. Waffen und Wirtschaftsgüter schaffen wir in den letzten Winkel dieser Welt, für Luxus und Statussymbole ist genug Geld da, aber nicht, um für ausreichend Brot und Reis, reine Luft und sauberes Wasser zu sorgen, um Hunger und Armut wirkungsvoll zu bekämpfen, bittere Not und entsetzliches Elend zu lindern. ‚Brot für die Welt‘ ist nicht nur das große evangelische Werk der engagierten Katastrophenhilfe und nachhaltigen Entwicklungsförderung, sondern auch der schlichte Auftrag Jesu an seine Nachfolgerinnen und Nachfolger, an alle Kirchen dieser Welt: Gebt ihr ihnen zu essen! Sich nicht nur an den Wundern der Schöpfung freuen und für den eigenen Bauch sorgen, sondern auch das Leid des Nächsten sehen und lindern, sich einsetzen für das Menschenrecht auf Wasser und Nahrung – das entspricht dem Doppelgebot der Liebe: Du sollst Gott, den Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft – und deinen Nächsten wie dich selbst!

Drittens und letztens ruft das Herbstfest der Christenheit die Aufgabe des Menschen in Erinnerung. Diese Erde zu bebauen und zu bewahren, hat Gott uns aufgetragen, will sagen: die Schönheit und Schätze dieses blauen Planeten nicht sinnlos auszubeuten, sondern für den Erhalt und nachhaltigen Gebrauch der Erde zu sorgen. Von der kleinsten Amöbe bis zum größten Blauwal, vom winzigen Senfkorn bis zum riesigen Mammutbaum gehört dieser schöne Stern nicht uns, sondern ist und bleibt Gottes eigenes Land, uns zum Leben und zum Weitergeben anvertraut. Das heißt, wir sind als Einzelne wie als Gesellschaft und Religionsgemeinschaft beauftragt, Leben zu schützen und die Welt als Lebensraum der Pflanzen, Tiere und Menschen für uns und kommende Generationen zu bewahren. „Ehrfurcht vor dem Leben“ war der Wahlspruch des Gottesmannes und Menschenfreundes Albert Schweitzer im letzten Jahrhundert. Diese Ehrfurcht vor Gott und den Menschen neu zu lernen und in praktischen Schritten von Natur- und Umweltschutz einzuüben, ist unsere Aufgabe. Darum stellen wir uns z.B. eindeutig gegen die verheerende Rodung der Regenwälder und den fortwährenden Ausbau von Palmölplantagen in Indonesien, aber auch gegen das mit zahlreichen Risiken behaftete Fracking in unserem Land – ebenso wie für den entschlossenen Ausbau dererneuerbaren Energien gegenüber den fossilen Brennstoffen. So wird unsere Verantwortung für die Schöpfung deutlich und üben wir uns ein, Gottes und unsere Welt zu bewahren. Amen.

 

Senay Nergiz, alevitische Gemeinde

Zunächst möchte auch ich einen herzlichen Gruß an alle hier Anwesenden aussprechen und mich bei allen bedanken, die bei der Organisation dieser Veranstaltung mitgeholfen haben.

Wir betrachten den Islam, die Welt, das Universum aus dem Alevitentum heraus und so möchte ich gerne mit einem gehaltvollen Zitat unseres Pirs anfangen: ,,Liebe das Geschöpf aus Liebe zum Schöpfer‘‘.
Diesem Zitat können wir entnehmen, dass es nur einen Schöpfer gibt, der die Welt und das Leben erschaffen hat und dass wir mit unserer Liebe Gottes Geschöpfen gegenüber Liebe zu Gott selbst beweisen.
Alles was er erschaffen, was er geplant hat ist fehlerlos. Die Tiere beispielsweise sind perfekt abgestimmt auf ihre Umwelt, Gott gab ihnen die nötige Ausstattung. Unserer Meinung nach leistet der Mensch als Gottes liebstes Geschöpf leider den stärksten Widerstand in diesem System und verursacht Schäden, die ein Ungleichgewicht verursachen. Obwohl der Mensch mit Verstand, Vernunft und logischem Denken reich gesegnet wurde, richtet er doch mehr Schaden an, als Tiere oder Pflanzen zusammen.
Ob nun aus politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Gründen, wir Menschen haben Unstimmigkeiten mit teilweise unabsehbaren Folgen  hervorgerufen und sehen tatsächlich noch immer Kriege und chemische Waffen als möglichen Lösungsweg, wo doch die Zerstörungen in der Natur beunruhigend groß sind.
Tag für Tag steigt die Anzahl von Krankheiten und Umweltkatastrophen, und auch hier muss sich der Mensch seiner Schuld bewusst sein. Das menschliche Hirn kann sehr mächtig sein. Wenn es nicht positiv, gutmütig und  fair agiert, sondern bösartig, kann es schreckliche Taten verursachen, die nicht wieder rückgängig zu machen sind. Ein Beispiel: Bevor die Atombombe erfunden wurde, wurden die Kämpfe während des Krieges Angesicht zu Angesicht ausgeführt. Doch heutzutage sind Menschen via Knopfdruck fähig, Lebewesen und  Natur mit Hilfe einer Atombombe auszulöschen. Die Wissenschaft wurde in diesem Beispiel zum Schlechten genutzt und es wurde Verheerendes und Furchtbares angerichtet: Tote, Kranke und eine geschädigte Umwelt waren das Ergebnis dieser Machtspiele.
Wie kann es sein, dass Todesstrafen und Folter im 21. Jahrhundert fester Bestandteil im Strafmaßnahmenkatalog mancher Länder sind? Wie kann es sein, dass Selbstmordattentäter und Terrororganisationen in Namen Gottes morden, wo doch in keinem heiligen Buch und von keinem Propheten solche Inhalte zu finden sind?
Unserer Gesellschaft fehlt es an sehr wichtigen sozialen Kompetenzen und genau dort müssen wir ansetzen. Ganz egal welcher Nationalität oder Religion wir angehören: Nächstenliebe, Respekt, Gerechtigkeit, Toleranz und Genügsamkeit sind elementare Fähigkeiten, die gemeinsam erlernt werden müssen, um ein friedliches und harmonisches Zusammenleben möglich zu machen. Hier ist jeder Einzelne von uns gefragt. Keiner sollte sich dieser Bildungsaufgabe entziehen, denn nur, wenn wir zusammenarbeiten, können wir ,,die Schöpfung bewahren‘‘.

Ich möchte meine Ansprache mit folgenden Worten beenden:
Diese Welt wurde uns von unseren Vorfahren hinterlassen. Auch wir werden unseren Kindern und Nachfolgern das hinterlassen, was wir während unserer Lebenszeit vollbracht haben. Ereignisse aus der Vergangenheit sollten uns daher eine Lehre sein. Das Gelernte sollten wir auch unseren Kindern weitergeben, um sie vor bereits durchlebten negativen Ereignissen zu bewahren.
Möge uns die Zukunft eine verstandesorientierte, liebevolle und friedliche Welt  bereitstellen.

 

Mohamed Oruadia, marokkanisch-muslimische Gemeinde

Der Mensch ist nicht Herr und Eigentümer der Welt, sondern er hat einen Herrn, nämlich den Herrn der Welten. Im Koran wird der Mensch als „khalifa“ bezeichnet, das heißt er ist derjenige, der in der Nachfolge Gottes handelt. Aus dieser Stellung ergibt sich Verantwortlichkeit.
Gott der Herr, dem die Schöpfung gehört, hat also diese dem Menschen anvertraut und der Mensch ist Ihm gegenüber für den Umgang mit der Schöpfung verantwortlich und schuldet Seinem Herrn Rechenschaft.
An vielen Stellen des Koran wird der Mensch im Hinblick auf diese Rechenschaft gewarnt.
In Sure 7:56 wird der Mensch gewarnt, Unheil auf Erden anzurichten, nachdem Gott dort alles – wie es heißt -„bestens geordnet“ hat:
„… und stiftet kein Unheil auf der Erde, nachdem dort alles bestens geordnet ist.“

Der Auftrag des Menschen ist also, nicht Unheil auf der Erde anzurichten, sondern im Gegenteil, Heil durch Frieden zu machen, Gleichgewicht zu bewahren. Dieser Sinn liegt schon im Wort „Islam“ selbst, dessen Ursprung mit dem Wort „Salam“ = Frieden zusammenhängt. Die tiefere Bedeutung ist also das Friedenmachen mit Gott, dadurch mit den Mitmenschen, mit sich selbst und der Schöpfung als Ganzes.
Für Muslime ist „Friedenmachen“ der verantwortungsvolle Umgang mit Gottes Schöpfung entsprechend den Anweisungen und der Rechtleitung durch Gottes Offenbarungen, die durch den Propheten Muhammad (s.s.) auf vorbildliche Weise umgesetzt worden sind. Deshalb sind die Muslime aufgefordert, diesem beispielhaften Verhalten nachzueifern.

Wenn man von Verantwortung für die Schöpfung spricht, denkt man natürlich an die Umwelt.
An vielen Stellen im Koran werden die Gläubigen neben der Aufforderung zur Dankbarkeit von Gott wiederholt und eindringlich aufgefordert, in allen Dingen Maß zuhalten und auf keinen Fall mit Ressourcen verschwenderisch umzugehen.
Der Mensch hat aber nicht nur gegenüber seiner Umwelt Verantwortung zu tragen, sondern auch gegenüber seinen Mitmenschen, die ja, wie er selbst, Teil der Schöpfung sind.
Hier kann man unterscheiden zwischen der Verantwortung für bestimmte Gruppen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Bei den Gruppen stehen an erster Stelle die Verwandten. Immer wieder wird den Gläubigen in Koran und Sunna die sogenannte „Pflege der Verwandtschaftsbande“ aufgetragen.
Den herausragenden Stellenwert unter den Verwandten haben die Eltern. Ihnen gegenüber ist Güte und Dankbarkeit geboten.
Im Koran wird immer wieder zur Speisung der Waisen sowie zu deren guter Behandlung angespornt und darauf hingewiesen, dass der wahre Glaube sich am Verhalten den Waisen gegenüber beweist. Auch die gute Beziehung zu den Nachbarn ist den Gläubigen auferlegt.
Der Herstellung sozialer Gerechtigkeit soll die sogen. „Zakat“ dienen, die eine der fünf Säulen der Glaubenspraxis und gottesdienstliche Handlung ist. Sie wird im Koran 28 mal im Zusammenhang mit dem Gebet erwähnt, was ihren Stellenwert betont. Was ist die Zakat?
Die Zakat kann am besten übersetzt werden mit der Umschreibung „soziale Pflichtabgabe“.

Freundlichkeit gegenüber Tieren ist ein Teil des guten Glaubens und der islamischen Auffassung von Barmherzigkeit.
Das Töten von Tieren aus nichtigem Grund und die Tierquälerei hat der Prophet Muhammad strengstens untersagt.
Religion wird im Islam als jener Bereich betrachtet, in dem bewusst Verantwortung angestrebt und getragen wird.
Aufrichtiger Glaube an Gott bedeutet, dass man grundsätzlich bereit ist, sich in allen Lebensbereichen an Seine Gebote zu halten und entsprechende Taten zu setzen.
Glaube ohne Taten ist nur eine Hülse, ein Lippenbekenntnis.
Aus islamischer Sicht trägt der Mensch Schaden davon, wenn er den göttlichen Anleitungen nicht Folge leistet, während er nur gewinnen kann, wenn er die göttliche Rechtleitung ernst nimmt. Gott als Schöpfer aller Dinge weiß am besten, was für Seine Schöpfung und Seine Geschöpfe gut ist.
Er will mit Seinen Anweisungen den Menschen den Weg zum Heil und Frieden leicht machen, wie im Koran öfters betont wird.

 

Cengiz Varli, Ahmadiyya Muslim Jamaat:

Bismillahirrahmanirrahim (Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, lieber Herr Bürgermeister,

das Thema meiner heutigen Rede lautet „Schöpfung bewahren“.

Im Heiligen Koran, dem Wort Gottes, finden wir zahlreiche Verse über die Schöpfung wie:
„Und unter Seinen Zeichen ist die Schöpfung der Himmel und der Erde und die Verschiedenheit eurer Sprachen und Farben.(…)“ (30:23) oder:
„(…)Keinen Fehler kannst du in der Schöpfung des Gnadenreichen sehen. So wende den Blick: siehst du irgendeinen Mangel?“ (67:4) oder auch:
„Er erschuf die Himmel und die Erde in Weisheit, und er gestaltete euch und machte eure Gestalt schön, und zu ihm ist die Heimkehr.“ (64:4)

In der Tat, wir sehen in der Natur die Schönheit der Schöpfung. Doch wir beobachten auch, dass die Schöpfung durch die Konflikte unter den Menschen ihre Schönheit verliert. Dabei könnte jeder dazu beitragen, dass unsere Schöpfung erhalten bleibt. Laut islamischer Überzeugung nimmt der Mensch eine Sonderstellung unter allen anderen Geschöpfen ein (17:71) und trägt somit eine Verantwortung für die Welt. Er soll sich vor allem als Muslim, was wörtlich Gottergebener bedeutet, in erster Linie für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einsetzen. Ja, er soll Frieden haben und Frieden verbreiten. Und diesen Frieden kann der Mensch nur erlangen, wenn er sich völlig den Willen Gottes hingibt. Um den Frieden aufrechtzuerhalten, ist die wichtigste Anforderung dafür die Gerechtigkeit.

„Allah gebietet Gerechtigkeit und uneigennützig Gutes zu tun (…)“ heißt es in der Sure 16, Vers 91.
Selbst die Feindseligkeit eines Volkes soll einen Muslim nicht dazu verleiten ungerecht zu handeln, so der Heilige Koran in der Sure 5, Vers 9.
Der jetzige Kalif, das spirituelle Oberhaupt unserer Gemeinde, Mirza Masroor Ahmad, sagte:
„Frieden kann auf der Welt nur Einzug halten, wenn die Menschen Gott erkennen und verstehen, dass es ausschließlich durch die Liebe zum Schöpfer möglich ist, Seine Schöpfung zu lieben.“

Über den Sinn und Zweck der Erschaffung sagt Allah:
„Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen.“ (51:57)
Diesem Vers zufolge liegt der wahre Sinn des menschlichen Lebens allein in der Verehrung Gottes. Die Anbetung Allahs beinhaltet nicht nur die äußere Form des rituellen Gebets und das mündliche Glaubensbekenntnis, sondern vor allem regt sie uns an, Gottes Erkenntnis zu erlangen, Seine Nähe zu finden und uns Seine Eigenschaften anzueignen. Das wahre Ziel des menschlichen Lebens liegt also darin, das Fenster seines Herzens zu Allah zu öffnen. Um dieses Ziel zu erreichen, zeigt Allah den Heiligen Propheten Muhammad (saw) als Vorbild: „Wahrlich, ihr habt an dem Propheten Allahs ein schönes Vorbild für jeden, der auf Allah und den Letzten Tag hofft und Allahs häufig gedenkt.“ (33:22)
und: „Wir entsandten dich nur als eine Barmherzigkeit für alle Welten.“ (21:108)

Der Heilige Prophet Muhammad (saw) sagte: „Ein wahrer Muslim ist derjenige, vor dessen Hand und Zunge andere sicher sind“ Mit den Worten „Sein Leben war wie der Koran“, machte seine Ehefrau Aisha (ra) deutlich, wie sehr Muhammad (saw) Allah liebte und sein Leben nach Seinen Worten ausrichtete.

Allah spricht auch die religiösen Unterschiede an und sagt: „(…) Und hätte Allah gewollt, Er hätte euch alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht, doch Er wünscht euch auf die Probe zu stellen durch das, was Er euch gegeben. Wetteifert darum miteinander in guten Werken.“ (5:49)

Auf diese Koranstelle hat sich übrigens auch Lessing mit seinem berühmten „Ringparabel“ bezogen. Dieser Vers verdeutlicht, wie der Wille Gottes in Bezug auf den Glauben zu verstehen ist.
„Es soll kein Zwang sein im Glauben“, macht Allah in der Sure 2, Vers 257 auf die Glaubensfreiheit aufmerksam.
Allah will, dass der Mensch freiwillig glaubt und Er will so die Menschen prüfen: „…damit Er euch prüfe, wer von euch der Beste im Wirken sei“, heißt es in der Sure 11, Vers 8

Kurzum, das Universum ist demnach erschaffen worden, damit Gott die Menschen prüfe und sehe, wer von ihnen am besten handelt. Die Harmonie und der gegenseitige Respekt unter den Religionen sind daher nötiger denn je.
Trotz mancher Unterschiede in unseren Religionen können wir die Schöpfung bewahren, indem wir an Gemeinsamkeiten festhalten und in „Guten Dingen wetteifern“ (5:49), wie Allah im Heiligen Koran so schön formuliert.
Es ist die Lehre des Uneigennützig-Gutes-Tuns (16:91) und darin miteinander Wetteiferns (5:49) meine Damen und Herren, die auch für die großen deutschen Denker der Aufklärung eine Inspiration war.
„Uneigennützige Liebe und selbstloses Handeln scheinen jedoch nicht mehr modern zu sein. Wir leben in einer vom kapitalistischen Ethos durchdrungenen Leistungsgesellschaft, in der auf allen Gebieten ein Wettbewerb darin stattfindet, den größtmöglichen materiellen Vorteil zu sichern, aber nur nicht ein Wetteifern darin, uneigennützig Gutes zu tun“, bringt Frau Khola Hübsch in ihrem neuen Buch auf den Punkt.
Ganz unabhängig welcher Religion man angehört, sagt Allah im Koran: „Die aber glauben und gute Werke üben, sie sind die besten Geschöpfe. (98:8)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und fürs Zuhören und beende nun meine Rede mit der Kernbotschaft des Heiligen Korans, die zugleich das Motto der Ahmadiyya Muslim Jamaat ist „Liebe für alle, Hass für keinen“.

 

Pfarrer Johannes Broxtermann

sprach über den Sonnengesang des Franz von Assisi und sah in der familiären Vernetzung, die der Text zwischen Gott, Mensch und Schöpfung herstellt, eine für die heutige Zeit wichtige und bedenkenswerte Haltung.

Der Sonnengesang

Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.

Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.

Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.

Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.

 

 

Beiträge zu den Fürbitten

Gondrand Grünstein:

Ein Fürbittengebet für die Bewahrung der Schöpfung, während gleichzeitig der Mensch Gottes Werk die Schöpfung zerstört – das ist dem Judentum fremd.
Vielmehr gedenken wir seit biblischen Zeiten des Schöpfungswerkes durch Segenssprüche, unter anderem
– vor dem Genuss verschiedener Speisen und Getränke
– beim Anblick hoher Berge, großer Flüsse, Sternschnuppen
– Segenssprüche bei Donner, starken Stürmen und Erdbeben
– beim Anblick des Meeres
– beim Erblicken des Regenbogens
– und indem wir den Schabbat heiligen. Heißt es doch in den 10 Geboten: Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn Deinen Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun. Du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinem Stadtbereich Wohnrecht hat.
An diesem Tag geben wir das uns Menschen an sechs Tagen in der Woche übertragene Machtpotential symbolisch zurück und bekunden damit, dass wir nicht die willkürlichen Besitzer unserer Erde sind, dass unserer Einmischung Grenzen gesetzt sind.

Cengiz Varli:

Koran 2:286

Dieser Gesandte glaubt an das, was zu ihm herabgesandt wurde von seinem Herrn, und (also) die Gläubigen: sie alle glauben an Allah, und an Seine Engel, und an Seine Bücher, und an Seine Gesandten (und sprechen): „Wir machen keinen Unterschied zwischen Seinen Gesandten“; und sie sagen: „Wir hören, und wir gehorchen. Uns Deine Vergebung, o unser Herr! und zu Dir ist die Heimkehr.“

 Koran 2:287

 Allah belastet niemanden über sein Vermögen. Ihm wird, was er verdient, und über ihn kommt, was er gesündigt. „Unser Herr, strafe uns nicht, wenn wir uns vergessen oder vergangen haben; unser Herr, lege uns nicht eine Verantwortung auf, wie Du sie denen auferlegtest, die vor uns waren. Unser Herr, bürde uns nicht auf, wozu wir nicht die Kraft haben, und lösche unsere Sünden aus und gewähre uns Vergebung und habe Erbarmen mit uns; Du bist unser Meister; also hilf uns wider das ungläubige Volk.“

Christa Bätz vom Interreligiösen Forum sprach das Segensgebet:

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,
aus dem alles ist, was lebt,
Pflanzen, Tiere und Menschen,
er sei mit uns, unser Leben zu schützen und zu segnen.

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,
sei mit allem, was er geschaffen hat,
damit es da sei, damit es schön sei,
damit es sich gegenseitig erhält.

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,
stehe uns und allen Menschen bei,
uns zu freuen an allem Geschaffenem,
und das Staunen nicht zu verlernen
beim Anblick seiner Wunderwerke.

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, helfe uns,
seiner Schöpfung mit Ehrfurcht zu begegnen,
statt sie zu missachten, statt sie auszubeuten,
statt sie zu zerstören.

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,
unterstütze uns mit seiner Kraft,
mit der Schöpfung so umzugehen,
dass sie auch kommenden Generationen noch
ein Garten ist, in dem sie mit Freude leben.

Gott, der Himmel und Erde gemacht hat,
helfe uns, dass wir einen Weg finden,
das Töten und Morden zu beenden,
damit wir, unsere Kinder und Kindeskinder
in Frieden miteinander auf dieser Welt leben können.

Dazu schenke uns Gott,
auf dessen Hilfe wir alle vertrauen,seinen Segen.

Amen.So sei es.

(frei nach Arbeitshilfe der ACK in NRW „Gottes Schöpfung feiern und bewahren“, HG Michael Kappes, Münster 2011 2.Aufl. S. 38f)