Friedensgebet 2020 als „Friedensgebet auf dem Weg“

Wie seit vielen Jahren fand auch in diesem Herbst das „Friedensgebet“ des Interreligiösen Forums Lüdenscheid statt. Aber anders als bisher nicht im Rathaus, sondern als „Friedensgebet auf dem Weg“.
Eine erfreulich große Anzahl von Gläubigen aus verschiedenen christlichen und muslimischen Gemeinden und Vertreter der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit sowie interessierter Mitbürger*innen nahmen daran teil.

Das Friedensgebet 2020 war zunächst für den 29.10.2020 im Ratssaal geplant – doch dann kam Corona! Die nächsten Sitzungen des Interreligiösen Sitzungen fanden online statt.
Aus den Berichten der Teilnehmenden aus ihren Gemeinden ergab sich sich das Thema für das Friedensgebet: Positives, das während der Pandemie erlebt wurde, festhalten und stärken! Denn viele Menschen hatten und haben weiter während der Pandemie Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und Solidarität erlebt.
Und als klar war, dass es kein Zusammenkommen vieler Menschen im Rathaus geben dürfte, entstand die Idee zum „Friedensgebet auf dem Weg“.

Treffpunkt war am 8. Oktober um 17:30 Uhr der Brunnen auf dem Sternplatz, der auch die erste von vier Stationen war. Nachdem Christa Bätz als Sprecherin des Interreligiösen Forums die Anwesenden begrüßt hatte, sprachen Bürgermeister Dieter Dzewas und sein gewählter Nachfolger Sebastian Wagemeyer Grußworte und betonten in ihren Ansprachen die große Bedeutung der Arbeit des Forums für interreligiöse und interkulturelle Verständigung.
Vom Brunnen aus ging es zum Rosengarten, danach zu den Stolpersteinen hinter der Erlöserkirche und zuletzt zum „Engel der Kulturen“ in der Wilhelmstraße.

Vertreter*innen verschiedener christlicher und muslimischer Gemeinden und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit berichteten an den vier Stationen von ihren Erfahrungen und sprachen Gebete. Einkaufshilfen für alte und gefährdete Nachbarn, Belieferung von Bedürftigen mit allem Lebensnotwendigen, eine Hilfsaktion einer Schulklasse für Gastronomen in Schwerte, Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus – solche und weitere Beispiele gelebter Solidarität wurden genannt.

Pfarrer Achim Riggert, Sprecher des Forums, sprach am Ende einen Segen für alle Anwesenden und dankte für ihr Mitgehen.

Das Ehepaar Salzmann schrieb und fotografierte für die Lüdenscheider Nachrichten:


Rechts unten Bürgermeister Dieter Dzewa, links unten sein Nachfolger Sebstian Wagemeyer



Beispiele von Beiträgen:

Christa Bätz als Christin und Sprecherin des Forums:
In der ersten schlimmen Zeit der Pandemie musste die Lüdenscheider Tafel schließen, bei der sich sonst Bedürftige mit Lebensmitteln versorgen können. Es dauerte nicht lange, da gab es die Aktion „Alles. Und Butter“. Viele Menschen fanden sich bereit, Bedürftigen alles Lebensnotwendige bis zur Haustür zu bringen, viele spendeten Geld für diese Aktion.
Ich bete: Barmherziger Gott, ich danke dir für alle Menschen, die sich aktiv oder mit Spenden für diese großartige Aktion eingesetzt haben. Und ich bitte dich: schenke uns in jeder Notlage Ideen, wie wir helfen können, und hilf uns, die Solidarität, die gewachsen ist, zu erhalten und zu stärken. Amen

Aygül Aytac, die zweite Vorsitzende der alevitischen Gemeinde:

Die Corona- Pandemie ist für uns alle eine Ausnahmesituation, die unser persönliches Leben betrifft.​ Insbesondere gehören hierzu unsere älteren Mitglieder – die es deutlich zu spüren bekommen haben. Unsere Kultur- und Glaubenseinrichtung ist immer ein Ort gewesen, wo die Mitglieder Zeit für Geselligkeiten finden und miteinander ins Gespräch gekommen sind.​ Durch die schwierige Zeit haben wir als Vorstand in dieser Situation unser Ziel darin gesehen, unseren ältesten Mitgliedern das Gefühl zu vermitteln dass sie nicht allein gelassen werden. Mit Aufmerksamkeiten wie Blümchen und Pralinen haben wir sie einzeln vor ihrer Haustür aufgesucht (unter Einhaltung der Hygieneauflagen) und die Mitbringsel vor ihrer Haustür abgestellt. Wir vermittelten ihnen die Botschaft, dass wir für sie da sind und sie uns jederzeit telefonisch erreichen können.
Auch haben wir die Zeit genutzt, um eine neue Form und eine neues Verständnis von Zeit und Lebenszeit zu entwickeln.
Die rasant zunehmende Digitalisierung in dieser Phase fand auch bei uns statt. Unsere Mitglieder bekamen wöchentlich Donnerstagsgebete zugesandt.
Gerne möchte ich Euch mit einem Gebet daran teilhaben lassen:
O Herr, bewahre uns vor Hochmut und vor falschem Stolz.
Mach, o Herr , dass wir Barmherzigkeit und Mitgefühl zeigen,
warm wie die Sonne, wo Egoismus und Kälte herrschen;
dass wir großzügig sind, fließend wie die Wasserquelle,
wo Engstirnigkeit herrscht,
dass wir Ruhe bewahren, regungslos wie ein Leichnam,
wo Wut und Aggressionen den Alltag bestimmen;
das wir Bescheidenheit üben, standhaft wie die Erde,
wo Anspruchsdenken herrscht;
dass wir Weitblick zeigen, grenzenlos wie der Horizont,
wo Hindernisse aufgebaut werden;
dass wir Toleranz üben, geduldig wie die Ozeane,
wo Widersprüche geschürt werden;
dass wir voller Zuversicht sind, wo Mutlosigkeit herrscht;
dass wir Zuneigung zeige, wo Abneigung herrscht;
dass wir Herzenswärme ausstrahlen, wo Hass gepredigt wird.
Schütze uns vor dem Unfrieden in uns und um uns herum.
Bewahre uns vor den Verlockungen des Ruhmes.
Hilf uns, o Herr, dass wir unser Ego beherrschen
und unsere Angst überwinden.
Gib uns die Kraft, uns für den Schutz des Lebens einzusetzen
und für den Frieden mit uns und mit der ganzen Schöpfung.

Stefan Schick sprach für die christlich-jüdische Gesellschaft:

Fest- und Feiertage wie das jüdische Pessach-Festes, welches an die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft in Ägypten erinnert und das damit zu den Hauptfesten im Judentum gehört, das christliche Osterfest, und auch der muslimische Fastenmonat mit dem Opferfest mussten in den vergangenen Monaten mit bisher unvorstellbaren Einschränkungen gefeiert, bzw begangen werden. Ich bin froh und dankbar, dass sich neben den christlichen Kirchen auch muslimische und jüdische Glaubensgemeinschaften in öffentlichen Aufrufen und Bekanntmachungen zur Akzeptanz der wichtigen Beschränkungen während der Pandemie solidarisch zeigten und ihre Glaubensgeschwister zu Vorsicht, Rücksicht und zur Einhaltung aller wichtigen Regelungen ermunterten und aufriefen. Hier in der Altstadt befand sich im Bereich der heutigen Stadtbücherei der Versammlungsort der jüdischen Gemeinde. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Rückseite der Bücherei daran. Wenn wir hier in der Altstadt unseren Blick senken, so entdecken wir an drei verschiedenen Stellen sogenannte Stolpersteine. Dieses Kunst-Projekt erinnert an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner / Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus in Deutschland. Solche Stolpersteine finden sich inzwischen in 1265 Kommunen, in 21 Ländern in Europa.Im Talmud, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums lesen wir:„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Und so wollen wir heute im Gebet der Menschen gedenken, über deren Namen wir in den Altstadtgassen von Lüdenscheid sprichwörtlich stolpern können.
Ich bete mit uns.
Gott – wir sagen dir Dank dafür, dass es auch heute noch Menschen gibt, die dafür sorgen, dass wir uns zumindest die Namen und Eckdaten von Menschen in Erinnerung rufen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden.
Gott – lass uns gedenken an: Emilie Scheelen, geboren 1896, damals wohnhaft Am Kirchplatz 11, Ella Noach, geboren 1887, Sigismund Noach, geboren 1883 und Rita Noach geboren 1923, damals wohnhaft Wilhelmstraße 51Werner Kowalski geboren 1901, Charlotte Kowalski geboren 1908 und Helma Kowalski geboren 1929, damals wohnhaft Luisenstraße 21. Gott – wir bitten dich darum, dass wir der Verantwortung gerecht werden, dass wir alle dafür sorgen, dass sich Vergleichbares an keinem Ort und zu keiner Zeit mehr wiederholen darf. Wir bitten um Vergebung, wo wir vor Ungerechtigkeit, Hass und Gewalt die Augen verschließen. Öffne du uns die Augen und Herzen, damit wir für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde eintreten, wo immer es uns möglich ist. Amen.