Wege zum Frieden
Am 9.10.2013 trafen sich im Bürgerforum im Lüdenscheider Rathaus Menschen verschiedener Religionen und Kulturen, um Wege zum Frieden aus der Sicht ihrer Religion aufzuzeigen.
Mit einem Grußwort des Bürgermeisters Dieter Dzewas begann die Veranstaltung, die durch verschiedene Musikstücke feierlich gestaltet wurde: Yasmin Alijah spielte am Flügel eine eigens für das Friedensgebet komponierte Arabeske, die von Randa Achkar auf der Trommel begleitet wurde, Klaus Schiller beeindruckte mit meisterhaftem Gitarrenspiel, und die Mädchengruppe des marokkanischen Kulturvereins sang religiöse Lieder in arabischer und englischer Sprache.
Nach den Beiträgen zum Thema „Wie wird Frieden?“ gingen alle gemeinsam zur Bodenintarsie „Engel der Kulturen“ in der Wilhelmstraße. Dort wurde – an der Wand des Alten Rathauses – eine Erklärungstafel zur Bodenintarsie enthüllt, damit Vorübergehende sich in Zukunft über den „Engel der Kulturen“ und seine Intentionen informieren können. Nach Friedensgebeten von Juden, Christen und Muslimen ging es zurück zum Bürgerforum, wo die Veranstaltung mit Musik, Imbiss und vielen intensiven Gesprächen ausklang.
Die Beiträge der einzelnen Religionsgemeinschaften:
Frau Şenay Nergiz für die Aleviten:
Jeder, der sich um ein friedliches und geschwisterliches Zusammenleben bemüht, sei herzlich gegrüßt!
Unser Schöpfer, der allmächtige Gott, sagt, dass keine Hautfarbe oder Rasse einer anderen Hautfarbe oder Rasse überlegen ist. Auf dieser von ihm geschaffenen Welt gilt es, alle Unterschiede, sei es sprachlich oder kulturell, im Hinblick auf den Menschen als Bereicherung zu verstehen und zu schätzen.
„Kul hakkina saygi“, sprich: „das Recht des Menschen auf sein Dasein respektieren“ findet dort, wo Feindschaft geschürt wird, ein Ende.
Der Friede beginnt im Kleinen und wird in die Gesellschaft getragen.
Wir Aleviten lieben das Geschaffene, die Schöpfung, aufgrund der Liebe zum Schöpfer, zu Gott.
Wir Aleviten wissen, dass alles Lebendige geschaffen durch Gott vollkommen ist und einen Sinn im irdischen Leben hat und ein Teil des göttlich geschaffenen Systems ist. Deswegen müssen wir im göttlichen System „gerecht“ funktionieren und uns seinem Geschaffenen gegenüber angemessen verhalten.
Gemeinschaftlichkeit – Geschwisterlichkeit und Friede muss selbstverständlich sein und die Reichtümer der unterschiedlichen Kulturen müssen in die Gesellschaft getragen werden. Es muss einen Prozess des Kennenlernens und Teilens erfolgen und interreligiöse, kulturelle Veranstaltungen wie heute müssen ihren Beitrag dazu leisten.
Religiöse und kulturelle Führer sollten hierfür nicht ständig Unterschiede aufzeigen, sondern nach Gemeinsamkeiten suchen. Diese Werte sollten auf gar keinen Fall zu politischen Zwecken oder anderen Vorteilen instrumentalisiert werden.
Aus den bisherigen brutalen Kriegen, den zahlreichen Verlusten und der Folge, dass das Materielle zunehmend an Wert gewinnt und das Geistig – Moralische zunehmend an Wert verliert, müssen Lehren gezogen werden. Die Menschlichkeit und die Nächstenliebe müssen wieder in den Vordergrund treten.
Es muss ein Leben möglich sein, so wie Nazim Hikmet schon einst geschrieben hat: „Yaşamak bir ağaç gibi tek ve hür ve bir orman gibi kardeşçesine, bu hasret bizim.“ Leben einzeln und frei wie ein Baum und dabei brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist unser.“
Pfarrer Achim Riggert für die evangelischen Christen:
„Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen ebenso.“ (Goldene Regel, Mt. 7,12)
Als Vertreter der ev. Kirche möchte ich ein kurzes Wort aus der Bibel einbringen und etwas dazu sagen. Es steht in einem unserer Evangelien, also einem der Berichte vom Leben und Wirken Jesu. Und es gehört dort zur sogenannten BP Jesu, einem der bekanntesten Abschnitte des gesamten Neuen Testamentes, und ist auch selbst sehr bekannt – wahrscheinlich auch vielen von ihnen. Es lautet: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen ebenso.“
Nicht wahr, diesen Ratschlag kennen sie, oder?! Nicht zuletzt, weil er auch sprichwörtlich geworden ist: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“. Es handelt sich um die sogenannte „Goldene Regel“.
Ich finde sie für unser Thema heute in mehrfacher Hinsicht interessant und wichtig. Zum einen steht sie nicht nur in der Bibel und ist zum Sprichwort geworden, sondern findet sich auch in vielen anderen Traditionen. Z.B. im Islam (in den Sprüchen Mohammeds) oder auch im Hinduismus und Buddhismus. Sie verbindet uns also, stellt eine gemeinsame Grundlage dar, auf der wir zusammen aufbauen können.
Was hat sie mit Frieden und dem Weg zum Frieden zu tun? Ich glaube, etwas ganz entscheidendes. Sie setzt andere Maßstäbe als die gängigen. Sie lädt dazu ein über Bedürfnisse und das, was wirklich brauchen zu sprechen. Und zu sehen, dass das auch dem jeweils anderen, dem Gegenüber wichtig ist und zusteht. Wie oft wird das in kleinen und großen Konflikten vergessen! Wie oft geht es dann nur noch um das eigene Recht und um das, was einem selbst angetan wurde usw.! Und das führt dann immer tiefer in Zwietracht, in Hass und Gewalt hinein. Die Goldene Regel setzt etwas anderes dagegen: Respekt wahren, den ich mir ja selber wünsche. Auch den anderen im Blick behalten. Ihn als Menschen wie mich begreifen, der die gleichen Grundbedürfnisse und Wünsche hat wie ich. Dann müssen Konflikte, wo und mit wem auch immer, nicht eskalieren. Dann bleibt auch in harten Auseinandersetzungen ein Mindestmaß an Menschlichkeit gewahrt. Dann kommen Hass und Gewalt, Krieg und Feindschaft letztlich nicht mehr in Frage. Gott sei Dank!
Hagay Feldheim, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Hagen, sang mit uns:
Hebräischer Segens- und Friedenswunsch
Schalom Alejchem Malachej Haschalom Malachej Eljon
Mimelech Malchej Hamlachim Hakadosch Baruch Hu
Bo-achem Alejchem Malachej Haschalom Malachej Eljon
Mimelech Malchej Hamlachim Hakadosch Baruch Hu
Barchuni Alejchem Malachej Haschalom Malachej Eljon
Mimelech Malchej Hamlachim Hakadosch Baruch Hu
Tzetchem Alejchem Malachej Haschalom Malachej Eljon
Mimelech Malchej Hamlachim Hakadosch Baruch Hu
Übersetzung:
Alejchem Friede mit Euch
{Schalom} Friede mit Euch, dienende Engel, Engel des Höchsten, des
Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei Er.
{Boachem} Euer Kommen sei zum Frieden, Engel des Friedens, Engel des
Höchsten, des Königs aller SchalomKönige, des Heiligen, gelobt sei Er.
{Barchuni} Segnet mich mit Frieden, Engel des Friedens, Engel des
Höchsten, des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei Er.
{Zetchem} Ziehet in Frieden, Engel des Friedens, Engel des Höchsten,
des Königs aller Könige, des Heiligen, gelobt sei Er.
Cengiz Varli von der Ahmadiyya Muslim Jamaat:
Bismillahirrahmanirrahim
Im Namen Allahs, des Gnädigen des immer Barmherzigen,
lieber Bürgermeister, liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,
im Namen der Ahmadiyya Muslim Gemeinde begrüße ich Sie ganz herzlich mit einem islamischen Gruß „Esselamu Aleykum“ – Friede Gottes sei mit ihnen –
wir freuen uns sehr, dass auch uns die Möglichkeit gegeben wurde, zum Thema „Wie wird Frieden“ eine kurze Rede zu halten.
Der Islam ist eine Religion des Friedens, die bereits in ihrem Namen die Botschaft des Friedens trägt. Er ist nämlich abgeleitet von dem Wort „Selam“ und dieses bedeutet Frieden. Islam bedeutet also, Frieden finden durch Hingabe an Gott.
Der Heilige Prophet Muhammad, Friede und Segnungen Allahs seien auf ihm, hat einen Muslim wie folgt definiert:
„Ein wahrer Muslim ist derjenige, vor dessen Hand und Zunge andere sicher sind“ (Bukhari)
Der Zweck der Erschaffung des Menschen ist aus islamischer Sicht, Allah zu dienen.
„Ich habe die Dschinn und die Menschen nur darum erschaffen, dass sie Mir dienen“, sagt Allah im Heiligen Quran (51:57)
„Dienen“ bedeutet hier soviel wie, sich einer spirituellen Disziplin zu unterwerfen, und all seine innewohnenden Kräfte und Fähigkeiten in perfekter Harmonie mit und in Gehorsamkeit der Absicht Gottes gegenüber in vollstem Maße zu entwickeln, um so den göttlichen Frieden zu erhalten, der einen dann in die Lage versetzt, die Eigenschaften Gottes in sich selbst zu manifestieren. Das ist das adlige Ziel und der edle Zweck der menschlichen Schöpfung, und somit genau das, was mit dem „Dienen Gottes“ gemeint ist.
Deshalb glauben wir Ahmadi-Muslime fest daran, dass wahrer Frieden nicht ohne Glauben an den lebendigen Gott erreicht werden kann.
Allah sagt im Heiligen Quran: „Es ist im Gedenken Allahs, dass Herzen Frieden finden können“ (13:29)
Weiter verspricht Allah: „Betet zu Mir; Ich will euer Gebet erhören“ (40:61)
„Und wenn Meine Diener dich nach Mir fragen, sprich, Ich bin nahe. Ich antworte dem Gebet des Bittenden, wenn er zu Mir betet. So sollten sie auf Mich hören und an Mich glauben, auf dass sie den rechten Weg wandeln mögen“ (2:187)
Die Menschheit ist leider weit entfernt davon und wahrlich nachlässig hinsichtlich des Gedenkens Gottes, so dass Unfrieden auf der Welt existiert.
Wenn man sich beispielsweise das Land Syrien anschaut, haben dort über 100.000 Menschen, darunter Frauen und Kinder, ihr Leben verloren. Die Menschen haben anstelle des Gebetes zur Waffe gegriffen (in vielen anderen arabischen Ländern ist die Situation ähnlich), obwohl der Heilige Prophet Muhammad, Friede und Segnungen Allahs seien auf ihm, sagte: „Die Waffe eines Muslims ist das Gebet“ (Kenzul Ummal).
Die Religion somit anzuklagen, die Wurzel der Unruhe und Unordnung zu sein, ist eine Beschuldigung, die gegen Gott erhoben wird aufgrund eines Missverstehens der Göttlichen Botschaft. Kurzum, nicht die Religion ist schuld am Unfrieden, sondern die Missachtung göttlicher Gebote und Verbote.
Allah betont an zahlreichen Stellen des Heiligen Qurans, dass die Menschen nicht Unfrieden stiften sollen (7:57) und dass es keinen Zwang in Glaubensdingen geben darf (2:257)
Gleichzeitig ermahnt Allah die Gläubigen, indem er sagt:
„Und hätte dein Herr Seinen Willen erzwungen, wahrlich, alle, die auf der Erde sind, würden geglaubt haben insgesamt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, dass sie Gläubige werden?“ (10:100)
Das Ziel, Streben und Wunsch unserer Gemeinde ist es, der Menschheit zu dienen.
Dazu sagte der Gründer unserer Gemeinde, Hz. Mirza Ghulam Ahmad (1835-1908), Friede sei auf ihm, folgendes: „Allah hat mich gesandt, damit ich die Distanz, die zwischen Ihm und Seinen Geschöpfen entstanden ist, beseitige und Liebe und Aufrichtigkeit etabliere. Dass ich durch das Verkünden der Wahrheit die Kriege zwischen den Religionen beende und den Grundstein für eine Versöhnung lege. Dass ich die religiösen Wahrheiten, die vor dem weltlichen Auge verborgen liegen enthülle, und die Spiritualität, die unter egoistischen Leidenschaften versunken ist, hervorbringe“ (Der Vortrag von Lahore, S.60)
Abschließen möchte ich mit einem Appell von unserem Kalifen, Hz. Mirza Masroor Ahmad, möge Allah seine Hand stärken: „Frieden kann auf der Welt nur Einzug halten, wenn die Menschen Gott erkennen und verstehen, dass es ausschließlich durch die Liebe zum Schöpfer möglich wird, Seine Schöpfung zu lieben.“
Das Thema Frieden ist so vielfältig, dass man ihm in so kurzer Zeit nicht gerecht werden kann. Deshalb waren es nur einige Hinweise aus der Sicht des Islams, in der Hoffnung, dass wir uns spirituell weiterentwickeln, indem wir eine Beziehung mit dem lebendigen Gott eingehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Der Friede Gottes sei mit ihnen.
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